Ein bisschen «Bombenholocaust»

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Vera Brittain. Foto Wikipedia

Pressemedien, die über die Benennung des Vera-Brittain-Ufers berichteten:

14.6.2014 Preußische Allgemeine Zeitung (Ostpreußenblatt)

26.6.2014 taz-nord

2.7.2014 Hamburger Wochenblatt (Billstedt)

3.7.2014 Die Zeit

Dokumentation von Werner Skrentny

 

 




Neuer Straßenname 28. Juni 2014 Das Vera-Brittain-Ufer und der deutsche Opfermythos 
Im Jahr 2012 beantragte der Berliner Bürger Gerfried Horst, Vorsitzender des Vereins „Freunde Kants und Königsbergs“, bei der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, eine Straße im Bezirk nach der britischen Pazifistin Vera Brittain zu benennen. Bei Wikipedia findet man einen ausführlichen Beitrag über diese couragierte Frau, die von 1893 bis 1970 lebte. 

Wer könnte gegen die Benennung einer Verkehrsfläche nach einer Pazifistin etwas einzuwenden haben? Doch wie sich herausstellte, ging es Herrn Horst gar nicht um die Pazifistin. Denn dann müsste man sofort fragen dürfen, warum ausgerechnet diese? Herrn Horst geht es um etwas anderes. 

Bereits in seinem ersten Brief vom 3. Dezember 2012 an die Bezirksversammlung beginnt Herr Horst seine ausführliche Begründung mit dem Satz: "Vera Brittain hat während des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien gegen die Flächenbombardements der deutschen Städte protestiert und ganz besonders die Zerstörung Hamburgs angeprangert."

Zunächst einmal lehnte das Staatsarchiv Hamburg den Antrag ab. Als dann Herr Horst jedoch Widerspruch einlegte, kam der Antrag dann doch durch. Am 30.10.2013 passierte er als Beschluss den City-Ausschuss des Bezirks. In der Bezirksversammlung wurde der Beschluss offensichtlich nur noch zur Kenntnis gegeben.  

Ein halbes Jahr später war es soweit. Am 28. Juni 2014 wurden im Beisein der Tochter Vera Brittains und des Staatsrats Dr. Pelikahn das neue Straßennamensschild und das Zusatzschild enthüllt. Das südliche Ufer des Mittelkanals trägt nunmehr Vera Brittains Namen. Behörden und Gremien müssen von Herrn Horst Anliegen so fasziniert gewesen sein, dass sie nicht nur seinem Vorschlag folgten, anlässlich des 70. Jahrestages der Bombardierung Hamburgs den Akt der Benennung durchzuführen, sondern sie übernahmen - kaum zu glauben - auch wörtlich seinen Begründungstext und verewigten ihn im Amtsblatt und auf dem Zusatzschild: "nach Vera Mary B. (1893-1970), englische Schriftstellerin, Pazifistin und Feministin, hat während des Zweiten Weltkrieges in Großbritannien gegen die Flächenbombardements der deutschen Städte protestiert und insbesondere die Zerstörung Hamburgs angeprangert". Das würde man bei Straßenbenennungen nach einem Kommunisten in Hamburg nie erleben. Automatisch wandelt die Behörde in einem solch seltenen Fall das Wort "Kommunist" in "Widerstandskämpfer" um. Bei Herrn Horst gab es offenbar solche politischen Bedenken nicht. So einfallslos das wörtliche Abschreiben von Herrn Horsts Text ist, so verantwortungslos ist der Text auch. Denn wir halten es für äußerst befremdlich, dass eine Pazifistin wegen ihres Protestes gegen die Bombardierung Hamburgs geehrt wird, ohne die Ursachen für diese Katastrophe zu benennen, ohne zu erwähnen, dass es das Naziregime war, das den verbrecherischen 2. Weltkrieg zu verantworten hatte. 

Man muss sich nicht wundern, wenn künftig rechte Kameraden, die den Opfermythos der Deutschen pflegen und die Kriegsverbrechen der Nationalsozialismus leugnen, am Straßennamensschild ihre Gebinde ablegen. Das rechtslastige Ostpreußenblatt "Preußische Allgemeine Zeitung" hat den Anfang gemacht und die (zu diesem Zeitpunkt noch geplante) Umbenennung in ihrer Ausgabe vom 14. Juni willkommen geheißen (siehe Preußische Allgemeine Zeitung > Kommentar rechts "Lob und Tadel"). Das mindeste, was wir tun können, ist, die Ersetzung der Zusatztafel durch eine neue mit anderslautendem Text zu fordern. Den Antrag hierfür haben wir bereits auf den Weg gebracht. 

Werner Skrentny, in Hamburg vielen als Autor des mehrfach aufgelegten Buches "Hamburg zu Fuß" bekannt, ist als erster auf die gedenkpolitische Sorglosigkeit aufmerksam geworden. Er hat eine
Dokumentation zum Fall zusammengestellt, die wir hier zur Kenntnis geben. 

René Senenko

 

     ©senenko 2012